P3 1-2/2024 de

Bundesverband Druck und Medien

„Das ist nach unseren Kenntnissen Augenwischerei!“

Brancheninterview

Zum 1. Januar 2024 hat die Volljuristin Kirsten Hommelhoff die Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes Druck und Medien e.V. übernommen. Ihr Vorgänger Dr. Paul Albert Deimel ist nach 13 Jahren altersbedingt aus dem Verband ausgeschieden. Hommelhoff tritt in für die Branche schwierigen Zeiten an die Spitze - und natürlich im Vorfeld der mit Spannung erwarteten drupa in Düsseldorf. Mehr als genug Gründe für ein umfangreiches Interview ...

Frau Hommelhoff, im Namen unserer Leser würde ich Sie bitten, uns zunächst etwas über Ihren bisherigen beruflichen Werdegang zu erzählen.

Kirsten Hommelhoff: Ich habe an der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg und an der Ludwig-Maximilians Universität in München Jura studiert, ein Erasmus-Studium an der Università di Bologna absolviert und zudem den Abschluss zum Master of Laws in European Law an der University of Exeter erworben. Nach meiner Tätigkeit als Büroleiterin des FDP-Fraktionsvorsitzenden und späteren Präsidenten der Europäischen Investitionsbank, Dr. Werner Hoyer, war ich bei der Deutschen Bahn im Konzernvorstandsbüro für den Bereich Corporate Governance sowie für die Vorstands- und Aufsichtsratssitzungen zuständig. Danach war ich zehn Jahre bei der Stiftung Mercator beschäftigt und leitete dort zuletzt deren Berliner Büro. Von 2020 bis 2023 führte ich als Generalsekretärin den größten und ältesten Stiftungsverband Europas, den Bundesverband Deutscher Stiftungen. In dieser Zeit habe ich den Verband strategisch neu ausgerichtet und die Interessenvertretung auf nationaler und europäischer Ebene professionalisiert.

Die Rahmenbedingungen für die Druck- und Medienindustrie sind derzeit – nicht nur in Deutschland – nicht die allerbesten. Was reizt Sie zum jetzigen Zeitpunkt an Ihrer neuen Position im Bundesverband Druck und Medien?

K.H.: Unter schwierigen Rahmenbedingungen leiden aktuell viele Branchen. Und als nachgeordneter Industriezweig bekommen wir eine schwächelnde Konjunktur natürlich besonders zu spüren – auch, weil Print in so vielen unterschiedlichen Branchen vertreten ist. Denn unter Sparzwang neigen viele Unternehmen dazu, den Rotstift erstmal im Bereich Kommunikation – also auch bei Print – anzusetzen. Dennoch – auch trotz zunehmender Digitalisierung – ist eine Welt ohne Print nicht vorstellbar. Rund 80.000 neue Bücher in Deutschland (bei einem nach wie vor schwachen Marktanteil der E-Books von 7,9 Prozent) zeigen die Sympathie der Menschen für gedruckte Werke.  Der Webemarkt zieht gerade wieder an, das hilft auch Print. Und Rewe hat zwar seine Prospekte abgeschafft, aber investiert jetzt so intensiv wie nie zuvor in Zeitungsanzeigen. Nach wie vor ist jeder Supermarkt eine Leistungsschau der Branche und nahezu alle Felder der Wirtschaft und Gesellschaft sind zwingend auf Druckprodukte angewiesen. Auch die Politik. Vielen ist gar nicht bewusst, dass im Deutschen Bundestag sämtliche parlamentarischen Vorgänge – vom Gesetzesentwurf bis zur kleinen Anfrage – gedruckt werden. Weil Print sicherer ist als digitale Kommunikation und gerade längere Texte auf Papier nachweislich besser erfassbar sind. Und auch die klassische politische Wahl mit Stift und Zettel hat sämtliche Versuche der Digitalisierung ausgestochen. Anläufe zum E-Voting gab es zwar in vielen Ländern, aber sie wurden stets verworfen. Wahrung des Wahlgeheimnisses und die Überprüfbarkeit des Prinzips „One Man – one Vote“ ist immer noch am sichersten mit Stift und bedrucktem Zettel. Auch deshalb gilt die Druck- und Medienwirtschaft als weitgehend systemrelevant. Was Printprodukte tatsächlich leisten, wo sie überall einen alternativlosen Mehrwert bieten, zeigen wir übrigens in der Kampagne „Print macht mehr draus“ auf unserer Website.

 

„Unter Sparzwang neigen viele Unternehmen dazu, den Rotstift erstmal im Bereich Kommunikation – also auch bei Print – anzusetzen.“

 

Klar ist also: Unsere Branche und damit auch die Verbände Druck und Medien stehen – wie so viele – vor großen Herausforderungen, vieles wird sich verändern. Ich bin angetreten, die Branche, die Landesverbände und damit die Betriebe in diesem wichtigen Prozess bestmöglich zu unterstützen. Das ein großer Reiz für mich. Und als frühere Leistungssportlerin im Rudern weiß ich auch, dass Erfolg stark davon abhängt, ob ein Team gut funktioniert. Der bvdm und die Landesverbände sind eine sehr starke Gemeinschaft und das beflügelt umso mehr.

Die Problemfelder, mit denen sich die Wirtschaft konfrontiert sieht, sind seit einiger Zeit unverändert – oder nehmen zu: Kriege, Lieferkettenprobleme, hohe Kosten (u.a. im Energiebereich), Fachkräftemangel, unsichere Auftragslagen. Was werden in den kommenden Jahren Ihrer Einschätzung zufolge die größten Herausforderungen sein und welche Möglichkeiten hat der bvdm, lenkend und unterstützend mitzugestalten?

K.H.: In der großen bvdm-Branchen-Umfrage 2023 wurden die stärksten Geschäftsrisiken der Druck- und Medienunternehmen ermittelt. Zu den ersten fünf gehörten steigende Arbeitskosten, zunehmender Fachkräftemangel, steigende Energiepreise, starke Auftragsschwankungen sowie Umsatzrückgänge durch die Zunahme von Online-Kommunikation. Die Druck- und Medienverbände unterstützen die Branchebetriebe daher bei der Implementierung von ressourcen- und energieeffizienten, also kostensparenden Prozessen und bei der Suche nach Fachkräften und Auszubildenden. Seit Ende Februar hilft eine Stellenbörse auf den Websites aller Druck- und Medienverbände unseren Mitgliedsunternehmen, die richtigen Leute zu finden.

Gleichzeitig macht sich der bvdm natürlich auf politischer Ebene stark, z.B. gegen die überbordende zeit- und kostenintensive Bürokratie, gegen praxisfremde Vorgaben des Lieferkettengesetzes, für bezahlbare Energie und vieles mehr.

 

„Solche Unterstellungen diskreditieren unsere gesamte Branche.“

 

Ein ganz wichtiges Thema in Deutschland und Europa ist aktuell die Nachhaltigkeit unserer Branche, bzw. der gesamten Wertschöpfungskette Print. Da sind viele Vorurteile und Falschinformationen im Umlauf – gegen die gehen wir an. Wenn Konzerne wie REWE und Obi, aber auch Banken oder Verkehrsdienstleister von Print auf Online-Kommunikation umstellen, behaupten sie gern, damit einen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz zu leisten. Das ist nach unseren Kenntnissen Augenwischerei. Daher gehen wir im Rahmen unserer bundesweiten Initiative ‚green printing statt greenwashing‘ sehr direkt auf solche Unternehmen zu und fordern sie auf, pauschale Behauptungen, die Print eine schlechte Umweltbilanz zuschreiben, zu unterlassen. Denn solche Unterstellungen diskreditieren unsere gesamte Branche, und das hat Konsequenzen für die Auftragslage. Aktuell fahren wir mit unserer Kampagne Umwelt. Bewusst. Gedruckt. eine Kommunikationsoffensive, die über die Nachhaltigkeit von Print aufklärt. Auf den Websites der Verbände, www.umweltbewusstgedruckt.de, stehen Anzeigenmotive, Plakate und eine Broschüre bereit, die die Verlage und Druckereien auch für ihre Kundenkommunikation einsetzen können, d.h. hier arbeiten wir gezielt für das Image der Branche und liefern den Betrieben konkrete Unterstützung.

Aktuell ist natürlich auch KI ein wichtiger Schwerpunkt im Verband. Denn sie wird unsere ganze Arbeitswelt verändern und damit auch unsere Branche. Innerhalb der Betriebe werden einfache, repetitive Arbeiten wegfallen, dafür entstehen aber neue Leistungsbereiche – mit Konsequenzen für die Berufsbilder, also Aus- und Weiterbildung und auch das Arbeitsrecht. Es werden neue Geschäftsmodelle und veränderte Dienstleister-Kunden-Beziehungen entstehen, weil KI die eigenen Produktionen und Produktionsprozesse verändern kann. Gleichzeitig bieten sich Chancen für die Branche. Beim Programmatic Advertising wird KI bereits eingesetzt und künftig wird sie noch weitere Funktionen übernehmen – womit wir dann auch schon beim Thema IT-Sicherheit und Datenschutz sind. In der aktuell heißen Diskussion werden, meiner Meinung nach, kurzfristige Effekte durch KI überschätzt, langfristige unterschätzt. Das heißt, blinder Aktionismus ist genauso unangebracht wie den Kopf in den Sand zu stecken. Hier geben wir einerseits den Betrieben Orientierung, und auf der anderen Seite vertreten wir ihre Interessen auf der politischen Ebene.

Gibt es Ihrer Ansicht nach einen Bereich, in dem der bvdm noch besser aufgestellt sein könnte?

K.H.: Der bvdm vertritt die Interessen der deutschen Druck- und Medienwirtschaft auf allen politischen Ebenen – in Deutschland und Europa. Und er unterstützt – u.a. über die Landesverbände – die Branchenbetriebe in den Bereichen Wirtschaft, Sozialpolitik, Unternehmensrecht, Bildung, Umwelt, Arbeitsschutz, Technik + Forschung sowie Öffentlichkeitsarbeit. Das ist ein enormes Pensum, daher müssen wir Prioritäten setzen. Noch besser aufgestellt wären wir freilich mit noch mehr Mitarbeitenden an Bord, da geht es uns wie vielen anderen Verbänden auch.

Bestimmte politische Themen bearbeiten wir deshalb auch in Kooperation mit anderen Organisationen. Das spart einerseits Ressourcen, und mitunter führt es sogar zu noch besserer Wirkung. Ein gutes Beispiel dafür ist die Verbände-Allianz, die sich gegen das Verbot von nichtadressierter Werbepost stark gemacht hat. Hier hat der bvdm zusammen mit dem Zentralverband der Werbewirtschaft, dem Verband kostenloser Wochenzeitungen, der Papierindustrie und dem Deutschen Dialogmarketing Verband intensive Lobbyarbeit geleistet und gleichzeitig eine öffentlichkeitswirksame Informationskampagne aufgesetzt. Mit Erfolg. Auf der Website www.werbeposterhalten.de stellen wir stets wichtige Informationen bereit, auch auf Englisch, denn das Thema ist ja kein rein deutsches mehr.

Welche Impulse für die Branche erwarten Sie von der diesjährigen drupa?

K.H.: Unsere Branche hat in Deutschland schon immer einen intensiven Austausch mit der Zulieferindustrie gepflegt und das hat die Innovationskraft beider Seiten gestärkt. Dabei spielt die drupa eine wichtige Rolle und davon hat stets die gesamte Wertschöpfungskette der Druck- und Medienwirtschaft profitiert. Durch schnellen Zugang zu Prozess-, Produktions- und Qualitätsverbesserungen sind die Unternehmen auf höchstem Niveau und prägen beispielsweise Normungs- und Standardisierungsprozesse weltweit.

 

„Unsere Branche hat in Deutschland schon immer einen intensiven Austausch mit der Zulieferindustrie gepflegt und das hat die Innovationskraft beider Seiten gestärkt.“

 

Die Druck- und Medienunternehmen brauchen die Anregungen des Marktplatzes drupa, die Auseinandersetzung mit Zukunftsthemen wie KI und den kollegialen Diskurs darüber. In Zeiten des Strukturwandels ist es allein und ohne Feedback kaum möglich, den richtigen Weg zu finden.

Impulse für die Branche würde ich mir beispielsweise dadurch erhoffen

  • dass die Hersteller konkrete Lösungen präsentieren, welche die Druck- und Medienwirtschaft in ihren Bemühungen um Nachhaltigkeit unterstützen,
  • dass die angebotenen Maschinen, Aggregate und Softwarelösungen über offene, standardisierte Schnittstellen verfügen, die es erlauben, Prozesse herstellerübergreifend besser zu vernetzen – in Richtung auf das Ziel „Industrie 4.0“,
  • dass Produkte gezeigt werden, die den Unternehmen – beispielsweise mit Hilfe von KI – erlauben, ihr Geschäft besser zu organisieren, Prozesse zu verschlanken und dem Fachkräftemangel zu begegnen.

Letzte Frage, abseits des Verbandes: Welche privaten Interessen verfolgen Sie, wenn noch die Zeit dazu bleibt?

K.H.: Meine freie Zeit verbringe ich am liebsten mit der Familie, mache Sport, lese gedruckte Bücher und gehe gerne ins Theater oder die Oper.

Frau Hommelhoff, herzlichen Dank für das Gespräch!

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