P3 3-4/2023 de

VDMA & Dienes

„Effizienz ist in unserer Philosophie verankert“

Brancheninterview

Als Hersteller von Messern, Messerhaltern und Schneidsystemen mit 110-jähriger Geschichte treibt die Dienes Werke für Maschinenteile GmbH & Co. KG aus Overath die Energieeffizienz sowohl in ihrer eigenen Produktion als auch bei den Prozesslösungen für ihre Kunden voran. Mit Maja Supe-Dienes ist mittlerweile die vierte Generation an Bord. Als Projektleiterin arbeitet sie an Strategien, um das Familienunternehmen fit für die Zukunft zu machen. Im VDMA-Interview, das wir an dieser Stelle mit freundlicher Genehmigung wiedergeben, spricht sie über Pläne, Lösungen und Herausforderungen auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft.

Bis Mitte des Jahrhunderts wollen die führenden Industrienationen klimaneutral wirtschaften. Ist diese Zielsetzung aus Ihrer Sicht realistisch?

M.D.: Aus technischer, wirtschaftlicher und politischer Sicht ist das ein sehr ehrgeiziges Ziel. Zahlreiche Studien zeigen aber, dass die Dekarbonisierung bis 2050 oder sogar etwas früher möglich ist. Dafür sind aber massive Investitionen, politische Unterstützung und globaler Zusammenhalt erforderlich. Denn wenn energieintensive Prozesse nur in Regionen mit laxer Klimaschutz-regulierung verlagert werden, ist nichts gewonnen. Für Unternehmen wird der Weg nicht einfach. Der Anstieg der Energiekosten in Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, die Inflation, Lohnsteigerungen und die Lieferkettenprobleme sind ein Vorgeschmack auf die anstehende Herausforderung. Um sie zu bewältigen, brauchen Unternehmen schnell Zugang zu klimafreundlichen Energien und Unterstützung bei Effizienzprojekten.

Was unternehmen Sie, um den Energiebedarf Ihrer Produktion zu minimieren?

M.D.: Unsere mittlerweile 110-jährige Firmengeschichte ist geprägt vom Streben nach möglichst autarker Energieversorgung und Effizienzsteigerung. Unser Standort liegt an einem Fluss, weil unser Gründer Karl Rudolf Dienes hier eine alte Mühle kaufen konnte, um seine Messerproduktion mit Wasserkraft zu versorgen. Mittlerweile nutzen wir das Flusswasser nicht mehr zur Energieerzeugung aber zur Kühlung. Heute setzen wir auf Photovoltaik. Während der neuste unserer Standorte komplett energetisch optimiert ist, stehen an anderen Standorten noch energetische Sanierungen an. Auch hier gibt es Lieferkettenprobleme: So warten wir seit Monaten auf einen Frequenzumrichter, um Solarstrom einspeisen zu können. Zur Wärme-versorgung unserer Hallen nutzen wir die Abwärme unserer Maschinen und Prozesse und Wärmerückgewinnung. Um unsere Produktion energieeffizienter zu gestalten, investieren wir fortlaufend in die Modernisierung und Automatisierung unseres Maschinenparks. Außerdem haben wir Mitarbeiter-e-Bikes angeschafft und Ladesäulen für Elektrofahrzeuge eingerichtet.

Wie unterstützen Sie Ihre Kunden dabei, energieeffizienter zu produzieren?

M.D.: Indem wir sehr langlebige, reparaturfähige und recyclingfähige Messer anbieten und diese in zunehmend smarte, sensorisch überwachte Schneidsysteme integrieren. Das gewährleistet stets die effizienteste Messereinstellung. Es ist fest in unserer Unternehmensphilosophie verankert, dass wir den Fokus auf qualitativ hochwertige, langlebige Produkte und intelligente Prozesslösungen legen. Wir wollen einerseits die maximale Nutzungsdauer unserer Messer gewährleisten, was wir unter anderem mit unserem Nachschleifservice erreichen. Andererseits tragen unsere Messerhalter über die sensorisch überwachte optimale Einstellung der Messer zu minimalem Verschleiß bei. In Verbindung mit Condition-Monitoring-Lösungen sind damit sehr verlässliche, hochqualitative Schneidprozesse gewährleistet. Weil das Schneiden beim Kunden meist am Ende der Prozesskette steht, sind saubere Schnitte sehr wichtig, weil ja schon viel Zeit, Energie und Ressourcen und entsprechend auch hoher Wert in den geschnittenen Produkten steckt. Für die konventionellen Randstreifen haben wir eine Absauglösung entwickelt, damit diese gesammelt und als Recyclat direkt zurück in den Herstellungsprozess geleitet werden können.

Welche Rolle spielt das Thema in Ihrer Forschung und Entwicklung?

M.D.: Wir haben eine smarte Lösung entwickelt – The End of Coincidences (TEoC), mit der wir Maschinen- und Prozessdaten aufzeichnen und analysieren. Hier sind wir mitten in der Forschungs- und Entwicklungsphase, weil wir mit jeder neu angeschlossenen Maschine mehr über unsere Produkte und deren Schneidprozesse lernen. Die Daten ermöglichen uns eine immer genauere vorausschauende Prognose. Damit werden wir perspektivisch die Ausfallzeiten weiter minimieren und die Produktivität weiter steigern können. Die Daten bereiten wir in Dashboards visuell so auf, dass sich unsere Kunden schnell ein Bild über den Zustand ihrer Schneidanlage und die Qualität im laufenden Prozess machen können. Wir können zudem per Fernzugriff Fehler suchen und beheben. All das fließt wieder in die Forschung und Entwicklung zurück, um die Systeme auf Basis solcher Vorfälle weiter zu optimieren bis schließlich wirklich keine Zufälle mehr auftreten. Daneben experimentieren wir auch viel, um die Produktion der Messer energieeffizienter zu gestalten. Wir erkunden dabei, ob sich unser hoher Qualitätsanspruch auch mit geringerem Energieeinsatz erreichen lässt.

Was wünschen Sie sich von Gesetzgebern auf dem Weg zur Klimaneutralität?

M.D.: Zentral ist die globale Perspektive und ein harmonisiertes Vorgehen, damit sich keine Schlupflöcher für Akteure auftun, die sich nicht um den Klimaschutz scheren. Es kann nur funktionieren, wenn wir die Dekarbonisierung als gemeinsames globales Projekt begreifen und umsetzen. Für die Umsetzung auf Unternehmensebene sind Anreize und Fördermaßnahmen wichtig, damit der Umstieg auf klimaneutrale Energie zügig und möglichst reibungslos gelingt. Daneben brauchen wir Maßnahmen, um uns dem Klimawandel anzupassen. Wir haben es ja mittlerweile oft mit Extremtemperaturen und in Flusstälern wie hier im Aggertal auch mit stark schwankenden Wasserpegeln zu tun. Darauf müssen wir uns einstellen – und das verursacht Kosten. Ein wichtiger Punkt sind auch die Planungs- und Genehmigungsverfahren. Hier brauchen wir eine Revolution, um die riesigen Herausforderungen in der verbleibenden Zeit bewältigen zu können. Das führt uns zurück zur Eingangsfrage. Mit den heutigen Planungs- und Genehmigungsverfahren ist die Dekarbonisierung bis 2050 nicht realistisch – und unser Wirtschaftsstandort gefährdet.

Vielen Dank für das Gespräch!

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