Die Messe Düsseldorf hat sich Ende April ausgesprochen zufrieden mit dem Ablauf und der Akzeptanz der virtual.drupa gezeigt, die als Überbrücker bis zur nächsten Präsenzmesse im Jahr 2024 fungieren sollte. Wir sprachen mit Sabine Geldermann, Director drupa und Global Head Print Technologies der Messe Düsseldorf, über ihr Fazit, die Nachhaltigkeit der geschaffenen Plattformen und ihre Erwartungen an die nächste, „echte“ drupa.
Sabine Geldermann, Director drupa und Global Head Print Technologies der Messe Düsseldorf.
Frau Geldermann, am Schlusstag der virtual.drupa gab es eine Presseaussendung der Messe Düsseldorf mit Zahlen zum Event. Insbesondere wurde auch die hohe Resonanz hervorgehoben. Wie fällt Ihr Fazit aus?
Sabine Geldermann: Absolut positiv! Dieses Jahr hat uns alle vor neue Herausforderungen gestellt. Wir haben es geschafft, eine Weltleitmesse wie die drupa von einer Präsenzveranstaltung in ein virtuelles Event zu übertragen. Die virtual.drupa war mit ihren drei Säulen „Exhibition Space“, „Conference Area“ und „Networking Plaza“ ein wichtiger Meilenstein, um auf dem Weg bis 2024 mit der globalen Community zu interagieren und Ausstellern und Besuchern die Möglichkeit zu geben, neue Leads zu generieren, ihr Geschäft zu reaktivieren und zu netzwerken. Sie hat für einen unverzichtbaren Wissenstransfer gesorgt, der sich an den Bedürfnissen und aktuellen Themen der Branche orientiert. Unsere positive Bilanz wird auch durch beeindruckende KPIs untermauert. Unter den 212 Ausstellern waren fast alle Global Player an Bord. Auch besucherseitig ist unser Konzept aufgegangen: 20.500 registrierte Besucher, 45.000 unique users und 600.000 Seitenaufrufe in 4 Tagen sind beachtlich, dazu kam noch die rege Beteiligung an den Exhibitor Websessions und den Streams in der Conference Area. Besonders hat mich auch die mit 82 Prozent hohe Internationalität der Besucher gefreut. Aus 155 Ländern über alle Grenzen und Zeitzonen hinweg hat sich die drupa Community virtuell vernetzt und ausgetauscht.
Der technische Aufwand für die Programmierung, die Bereitstellung der verschiedenen Plattformen, Streaming, Datenbanken und Performance ist in dieser Dimension sicherlich hoch und erforderte im Vorfeld erhebliche Investitionen. Wie soll die für die virtual.drupa entstandene IT-Infrastruktur weiter genutzt werden?
Bei all unseren Investitionen ist Nachhaltigkeit ein wichtiger Grundsatz. Unser Ziel ist es nicht, „Schnellschüsse“ oder kurzlebige Events zu entwickeln. Wir haben für die virtual.drupa zum Beispiel auf vorhandenen digitalen Bausteinen und Prozessen aufgebaut und an den nötigen Stellen innovative Komponenten und Funktionen erweitert. Diese werden wir auch für zukünftige Online-Events und hybriden Messen verwenden.
Um für unsere Kunden das Optimum aus der Veranstaltung und unverzichtbare Mehrwerte herauszuholen, haben wir uns entschieden, das Portal der virtual.drupa noch bis Jahresende für die weltweite Print und Packaging Community zur Verfügung zu stellen – noch immer kostenlos für alle, nur eine Registrierung ist erforderlich. Das bedeutet, dass alle Funktionen und Features wie etwa die Exhibitor Showrooms weiter genutzt werden können und auch unsere exzellente Video Library mit allen aufgezeichneten Streams bis dahin kostenlos zur Verfügung stehen wird. Diesen beeindruckenden Wissenspool möchten wir der Branche definitiv als weiterhin hoch relevanten und inspirierenden Content ans Herz legen.
Zudem sind wir in Planung für einen virtuellen Conference Day im Herbst mit hochkarätigen Speakern und relevanten Themenfeldern aus der Branche. Als Messe Düsseldorf nutzen wir die erweiterte Infrastruktur und die gewonnenen Erfahrungen natürlich auch für andere Messen und Projekte, bauen darauf auf und ergänzen und optimieren, wo nötig. Wir können und wollen das digitale Rad nicht mehr zurückdrehen, denn die gesamte Messelandschaft verändert sich hin zu hybriden Messeformaten. Und da sind wir gefordert, unseren Kunden und Besuchern auch weiterhin optimalen Service zu bieten und die Erwartungshaltung der Kunden zu erfüllen.
Kann die Durchführung virtueller Events für einen Veranstalter von Präsenzmessen in Ihren Augen grundsätzlich ein rentables Geschäftsmodell sein?
Das kommt sicherlich ganz auf die jeweiligen Voraussetzungen an. Unbenommen ist es an erster Stelle eine Investition in eine qualitativ hochwertige Plattform mit dem Ziel gewesen, der Branche Wissenstransfer und Reaktivierung des Geschäfts zu bieten. Das ist uns nach dem Feedback unserer weltweiten Kunden sehr gut gelungen. Aber langfristig sehen wir reine Online-Formate eher als eine Ergänzung zum bestehenden Angebot, oder – wie jetzt in Pandemiezeiten – als eine notwendige Überbrückung, bis eine Präsenzveranstaltung wieder möglich ist. Wir glauben, dass die Zukunft der Messen eine hybride ist, die das Beste aus beiden Welten kombiniert. Unser Aussteller- und Besucherfeedback zeigt uns, dass digitale Messen das analoge Kundenerlebnis keinesfalls ersetzen. Dies untermauern auch Studien ganz eindrucksvoll. Der Wegfall von physischen Meetings und Zufallsbegegnungen ist ein massiver Einschnitt in den Vertriebsprozess. Daher wollen wir unsere jetzt etablierte digitale Infrastruktur zukünftig vor allem für hybride Messeformate nutzen und die „reale“ Messe im Internet nachhaltig sowohl räumlich erweitern als auch zeitlich verlängern.
Wie beurteilen Sie die Nachhaltigkeitsbestrebungen der Aussteller bzw. der Branche allgemein? Haben Sie bei diesem Format einen Einblick in die Ausstellung gehabt, der mit einer „echten“ drupa vergleichbar wäre?
Themen wie Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft haben bereits vor der Pandemie einen signifikanten Stellenwert in der Branche eingenommen, und dieser wurde durch die Auswirkung der Pandemie eher noch verstärkt. Den allermeisten Unternehmen ist mittlerweile bewusst, dass nachhaltiges Wirtschaften und Umweltschutz nicht nur relevant und zwingend vereinbar sind mit der Unternehmenskultur und Verantwortung (CSR), sondern auch einen echten Wettbewerbsvorteil darstellen. Zur virtual.drupa stand daher auch das Thema Circular Economy gleichberechtigt neben Artificial Intelligence, Connected Consumer und Platform Economy im Mittelpunkt der Conference Area. Mein Highlight – und wichtiger Appell zugleich – war hier vor allem die Keynote der Journalistin und Autorin Dr. Gabrielle Walker zum Thema „All change: Implications of the climate megatrend for the printing industry”.
Was den zweiten Teil ihrer Frage angeht: Es ist natürlich schwierig, beide Formate direkt zu vergleichen. Bei einer Präsenzveranstaltung geschieht vieles spontaner und ungeplanter – eine zufällige Begegnung hier, eine spannende Entdeckung da. Ein überzeugender USP der drupa sind außerdem laufende Maschinen auf dem Gelände und die Möglichkeit für potenzielle Kunden, Investitionsgüter mit allen Sinnen haptisch zu erleben. Exakt an dieser Stelle geraten und gelangen digitale Formate an ihre Grenzen. Das Online-Format bietet hingegen die Flexibilität, 24/7 gezielt Streams, Live Web Sessions, Webinare und Aussteller über alle Zeitzonen hinweg anzusehen und dabei teilweise tiefer in Themen einzutauchen, als es im normalen hektischen Präsenzmessegeschehen möglich gewesen wäre. Zudem bietet es die Möglichkeit, Inhalte nachträglich anzusehen. Das ist für mich ein klarer Vorteil des digitalen Messeerlebnisses, das dadurch auch on demand im Anschluss an das Event noch sehr wertvolle Impulse setzt.
Worauf freuen Sie sich bei der drupa 2024 am meisten?
Die drupa steht seit ihrer Gründung vor 70 Jahren für eine einzigartige und ganz besondere Atmosphäre. Sie war immer ein Ort für Inspiration und Innovationen. Die internationale Community fiebert aktuell nach einer gewissen digitalen Fatigue darauf hin, sich wieder face to face in Düsseldorf in 2024 zu sehen. Ich wünsche mir für die drupa 2024, dass genau das wieder möglich sein wird und sich die weltweite drupa community unter sicheren Rahmenbedingungen und nach intensiven Messetagen abends in der drupacity zum Netzwerken auf ein Glas Altbier mit Kollegen und Geschäftspartnern trifft.
Frau Geldermann, vielen Dank für das Gespräch!